Deutschland und Klezmer

Deutsch-jüdische Musik aus dem Osten Europas seit 1945

Zunächst eine Anmerkung

Der folgende Text soll ein Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Potential der Klezmer-Musik in Deutschland im weitesten Sinne, einschließlich des jiddischen Liedes, anregen, um allen Beteiligten ein über diesen Text hinausgehendes Verständnis für das Thema zu vermitteln. Dieses Buch ist eine inoffizielle Meinungsäußerung, die sich ihrer Grenzen als Diskussionsgrundlage bewusst ist. Der Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, was in diesem Zusammenhang auch nicht beabsichtigt und möglich ist. Im Rahmen des Forums sind Korrekturen und Ergänzungen besonders willkommen. Deutsch-jüdische Musik aus dem Osten Europas seit 1945

Das politische Klima in Deutschland

Der Begriff "Tag der Befreiung", der häufig als Bezeichnung für das Kriegsende verwendet wird, wurde als offizielles Datum des Sieges der Alliierten über Deutschland am 8. Mai 1945 festgelegt. Die Mehrheit der Deutschen hat diesen Tag genau so gesehen. Auch wenn der Konflikt mit einer gewissen Erleichterung zu Ende ging, überkam die Verlierer schnell die Angst vor der Vergeltung des Siegers und die Scham vor der versuchten Vernichtung der Juden.

Die Berichte der Roten Armee über die Vernichtungslager im Osten, die Zeugenaussagen der Überlebenden und die Aussagen hochrangiger Nazibeamter vor alliierten Gerichten stigmatisierten die Verlierer vor aller Welt als Ungeheuer und vertieften ihre Scham. Sie sagten: "Wir haben nichts davon gewusst", als eine Art Rechtfertigung und private Entschuldigung.

Jüdische Kultur in den ersten Jahren des Nachkriegsdeutschlands

All dies machte es für die Deutschen in der Nachkriegszeit sehr schwierig, mit Juden auf normale Weise umzugehen. In Deutschland entstanden Flüchtlingslager für überlebende Juden aus den Lagern in Polen, während die Alliierten weiterhin Kriegsverbrecher jagten und in den Wäldern lauernde Werwolforganisationen zerschlugen. Jüdische Künstler traten für die Gefangenen auf, während sie von Lager zu Lager reisten und jiddische Lieder spielten.

Es wäre übertrieben, dies als den Anfang zu bezeichnen. Mit dem Aufstieg der jüdischen Künstler und der Schließung der Lager verschwand vorübergehend das letzte Überbleibsel jüdischer Kultur aus Deutschland. Nicht nur die jüdischen Gemeinden in aller Welt glaubten, dass das Kapitel Judentum und Deutschland abgeschlossen war, sondern wahrscheinlich auch die Deutschen selbst.

Berlin nach dem Fall der Berliner Mauer: Klezmer

Unmittelbar nach der Öffnung der innerdeutschen Grenzen erlebte Berlin einen "Klezmer-Boom", der sich schnell auf das ganze Land ausbreitete. In Berlin entstanden zahlreiche neue Bands mit den unterschiedlichsten Zielen und Richtungen. Einige orientierten sich an einflussreichen Persönlichkeiten wie Brave Old World oder Giora Feidman (Yardniks, Harry's Freilach). Andere (LA'OM, Digrine Kusine) fanden ihren eigenen Weg oder verbanden diesen mit der Orientierung an zahlreichen anderen Organisationen. Im übrigen Deutschland entstanden Bands (zwei Beispiele von Hunderten: Oyfn Veg aus Hannover und Klezgoyim aus Bremen).

Beweggründe für den "Klezmer-Boom" Für den unerwarteten Erfolg der Musik gab es zweifellos eine Reihe von Faktoren, die dazu beitrugen. Da war zum einen der Workshop-Zirkus, etwa unter der Leitung von Giora Feidman, Helmut Eisel und Brave Old World, der vor allem deutschen Musikern die Möglichkeit gab, die Musik kennenzulernen. Großen Erfolg hatte aber auch die New Yorker Band The Klezmatics, die 1988 bei den Berliner Heimatklängen debütierte und im Jahr darauf ihre Debüt-CD "Shvaign=Toyt" beim Berliner Label Piranha veröffentlichte. Zahlreiche amerikanische Klezmer-Bands unternahmen ausgedehnte Tourneen durch Deutschland und hinterließen ihre Spuren. Die Vielfalt der lokalen Klezmer-Bands ist derzeit fast überwältigend; es scheint, als ob jede Gemeinde mit mehr als 30.000 Einwohnern mindestens eine eigene Band hat. Natürlich ist das Kaliber der verschiedenen Gruppierungen unterschiedlich. Da die Bands ihre eigene Leistung nach eigenen Kriterien beurteilen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, muss der Begriff "Qualität" wohl neu definiert werden.